Medientipps
"Wilderer" von Reinhard Kaiser-Mühlecker
Jakob führt den Hof der Eltern und kämpft gegen den Niedergang. Als die Künstlerin Katja sich als Praktikantin anbietet, scheinen sich die Dinge zum Guten zu wenden. Gemeinsam bauen sie eine biologische Tierhaltung auf, sie heiraten und bekommen einen Sohn. Doch Jakob findet keine Ruhe, sein grausamer Zorn – auf seine Herkunft, seine Verantwortung, auf sein Ringen mit sich selbst - bricht immer wieder hervor. Und dann noch Katjas plötzlicher Abgang. „Hat sie ihn getäuscht, hat sie nur mal einen wie ihn haben wollen, einen Bauern? (…) Das konnte doch nicht sein. Er wollte das alles nicht (…) das Chaos, das Regellose, Unabsehbare (…) wollte nicht, dass dann auch noch die Mutter (…) sich neben die sich von allen abwendenden, vor allen zurückweichende Katja stellte, als müsse man sie vor Jakob beschützen. (…) Als stimme es, dass man Angst vor ihm haben müsse.“
Der gerade mal 40-jährige Kaiser-Mühlecker weiß, worüber er schreibt. Schließlich führt er den Bauernhof seiner Vorfahren in Eberstallzell, Oberösterreich und studierte Landwirtschaft, Geschichte sowie Internationale Entwicklung in Wien. Die außergewöhnliche Qualität seiner Prosa besteht vor allem in der kargen Beschreibung einer heutigen bäuerlichen Kulturlandschaft, in der Entwicklung von Figuren, die sich zugleich wie wildernde als auch verwundete Raubtiere verhalten. Und dies oft in komischer Hoffnungslosigkeit. Aus kleinsten Rissen, die sich in jeder Beziehung auftun, deutet der Autor einen verhängnisvollen Weg in die familiäre Katastrophe, ohne handfeste Gründe für das Scheitern zu benennen. Dies ist kein Heimatroman, kein simpler Bauernrealismus, sondern aktuell existentialistische Literatur vom Feinsten. Zum Glück gibt es die moderne Landwirtschaftstechnik – und diese damit hoffentlich Kaiser-Mühlecker ganz viel Zeit für seinen nächsten Roman… 😊.
(Nominierung Deutscher Buchpreis 2022 sowie Bayerischer Buchpreis 2022)